Die Hüftgelenksdysplasie des Hundes

Autorin: Dr. med. vet. Nina Müller

1. Definition

Das Hüftgelenk besteht aus dem Oberschenkelkopf (Femurkopf) und der Beckenpfanne (Acetabulum) und wird als Kugelgelenk bezeichnet. Beide Anteile entwickeln sich als funktionelle Einheit, solange alle Komponenten in vollem Kontakt sind.

Die Hüftgelenksdysplasie (HD) ist die häufigste Skelettentwicklungsstörung der Hunde. Sie ist genetisch- und umweltbedingt und zeichnet sich durch abnorme Gelenklockerheit und Formveränderungen von Acetabulum und/oder Femurkopf aus. Drei einzelne Verknöcherungskerne des Beckens kommen knorpelig zusammen und bilden später die knöcherne Beckenpfanne. Der knorpelige Femurkopf bekommt seinen Verknöcherungkern in den ersten vierzehn Tagen nach der Geburt.

2. Ursache

Trotz Röntgenuntersuchung zur Zuchtzulassung ist die HD noch immer ein zu bekämpfendes Thema. Die Erblichkeit (Heritabilität) wird je nach Rasse bis zu 60% eingestuft. Zudem werden durchschnittlich nur 30% der Hunde eines Jahrgangs zur HD-Röntgenuntersuchung vorgestellt. Durch ein engmaschigeres Screening könnten die Linien genauer beurteilt werden bzw. ein Zuchtwert der Eltern erstellt werden. Hier hat sich bei einzelnen Rassen eine Röntgen-Kaution bewährt, die bei erfolgter Röntgenuntersuchung erstattet wird.

Weitere Einflüsse der HD-Entwicklung stellen die Ernährung, die Wachstumsrate und die Belastung der Gelenke durch Gewicht und Bewegung im ersten Lebensjahr dar.

Die Ernährung des Welpen spielt bei der Wachstumsrate (Gewichtszuwachs pro Tag) eine große Rolle. Die Hunde sollten langsam wachsen, damit das Bindegewebe die noch knorpeligen Gelenke besser stützen kann. Hierbei ist auf eine mäßige Eiweiß- und Kalorienzufuhr, sowie auf ein Calcium/Phosphor-Verhältnis von 1,4 bis maximal 2 zu achten.

Die Bewegung sollte auf mehrere kürzere Spaziergänge verteilt werden. Als Faustregel gilt:

Mit einem Vierteljahr eine Viertelstunde am Stück marschieren,

mit einem halben Jahr eine halbe Stunde am Stück.

Das Treppensteigen sollte in den ersten vier bis fünf Lebensmonaten vermieden bzw. stark reduziert werden. Bergauf belastet die Hüftgelenke, bergab belastet die Ellenbogengelenke.

Die Entwicklung der HD findet in den ersten sechs Lebensmonaten statt. Das Hüftgelenkwachstum ist mit 12-18 Monaten, bei großen Rassen tendenziell später, abgeschlossen und kann mittels einer Röntgenuntersuchung in Sedation definitiv beurteilt werden. Eine Ultraschalluntersuchung in den ersten 14 Lebenstagen, ähnlich wie bei Säuglingen, erwies sich als nicht signifikant zum späteren HD-Befund. Die sog. Vorröntgen-Untersuchung im Alter von 7-9 Monaten kann erste Hinweise ergeben, unterscheidet sich jedoch meist vom endgültigen Röntgenbefund.

3. HD-Untersuchung

Die Vorbereitung und der Ablauf der HD-Röntgenuntersuchung

Der Besitzer bringt die Formulare seines Rassehundevereines für die HD-Untersuchung (und evtl. für die ED- und Gebiss-Untersuchung, die Ahnentafel und den Impfpass seines Hundes, sowie eine Decke mit. Der Hund muss nüchtern in die Praxis kommen, d.h. er darf 12 Stunden vor der Untersuchung noch festes Futter bekommen, dann nicht mehr. Wasser darf er durchgehend trinken. In der Praxis bekommt er nach einer Allgemeinuntersuchung eine Injektion in den Schenkel zur Sedation. Dann geht der Besitzer mit seinem Hund in ein separates Zimmer, wo der Hund in Ruhe auf seiner Decke einschlafen kann. Diese Sedation wird nach der Untersuchung wieder per „Weckspritze“ antagonisiert, sodass der Hund bei seinem Besitzer wieder aufwacht und nach ca.30 min. gehfähig die Praxis verlassen kann. Anschließend sollte der Tag jedoch möglichst ruhig verbracht werden

Die Röntgenuntersuchung muss vorgeschriebenermaßen in Sedation und in Rückenlage durchgeführt werden. Die Hüftgelenke werden gestreckt, das Becken muss symmetrisch dargestellt sein und die Oberschenkel werden so eingedreht, dass sich die Kniescheibe jeweils in der Mitte der Kniescheibenrinne darstellt. Eine schräg dargestellte Hüfte kann zu schlecht beurteilt werden. Daher lohnt sich der Einsatz einer Wasserwaage. Die digitalen Röntgenbilder werden in ein Portal zur Befundung hochgeladen und können auf Wunsch auch als CD mitgegeben werden. Der Besitzer darf bei der Röntgenuntersuchung mit entsprechender Schutzkleidung anwesend sein, sofern es seine Gesundheit strahlenschutzmäßig erlaubt. Die Röntgenbilder werden anschließend mit dem Besitzer besprochen bzw. die Befunde erklärt.

Die Beurteilung des Röntgenbildes erfolgt durch spezielle Gutachter des jeweiligen Rasseverbandes. Dabei fließen die Form der Beckenpfanne, die Überlappung des Pfannendaches über den Oberschenkelkopf (Norbergwinkel > 105°), der Gelenkrand, der Gelenkspalt, die Form des Femurkopfes- und –halses, die Winkelung des Femurhalses, sowie der Gelenkkapselansatz (Morgan-Linie) in die Beurteilung ein.

Im Falle einer HD-Beurteilung nicht frei (C= leichte HD, D= mittlere HD, E= schwere HD) muss der Befund nicht zwangsläufig den späteren Beschwerden einer Arthrose gleichkommen. Mit Gelenkspflege als Futtermittelzusatz (Glykosaminoglykane und Chondroitinsulfat), Physiotherapie z.B. Aquatraining und konsequenter Gewichtskontrolle haben Sie als Tierbesitzer großen Einfluss auf den weiteren Verlauf. Ebenso ist die gleichmäßige Bewegung, um den Halteapparat aus Bindegewebe und Muskulatur bestmöglich zu unterstützen, von größter Wichtigkeit.

Überbelastungen wie zu lange Wanderungen, steile Wege oder Sprünge und Ausgleiten auf rutschigem Boden sollten möglichst vermieden werden. Jeder entzündliche Schmerzzustand treibt eine Arthrose-Zubildung (Coxarthrose) voran und sollte schnell ausgebremst werden.