Die Herpeskeratitis der Katze

Autorin: Dr. med. vet. Nina Müller/Dr. med. vet. Sunayana Mitra 


Das Herpesvirus bringt Gefäße in die Hornhaut

Das Herpesvirus bringt Gefäße in die Hornhaut

1. Ansteckung

Das Feline Herpesvirus FHV 1 ist nur zwischen Katzen übertragen werden und ist nicht für den Menschen ansteckend.

Es ist erstens

Bestandteil des gefürchteten Katzenschnupfenkomplexes

und verursacht zweitens

eine ernsthafte Hornhautentzündung.

Die Ansteckung erfolgt als Tröpfcheninfektion, über direkten und indirekten Kontakt mit erkrankten Katzen und während der Trächtigkeit auf sich entwickelnde Welpen. Katzen mit einem schwachen Immunsystems sind anfälliger.

Bei der Infektion im Mutterleib ist ein missgebildetes Auge die Folge. Oftmals fehlt das isolierende Corneaepithel, sodass die Bindehaut fest mit der Hornhaut verwächst, oder die Bindehaut des Augapfels mit der des Lides zusammenwächst, sodass der Lidspalt kleiner wird (Pterygium bzw. Symblepharon). Das Auge kann trotzdem sehfähig sein.

Bei jungen Kätzchen einer ungeimpften Mutter (sog. Bauernhofkatzen oder Fundkatzen) bricht die Hornhautentzündung durch fehlende Antikörper über die Muttermilch und/oder unter dem Stress des Ortswechsels und der damit verbundenen Senkung der Immunabwehr aus. Oftmals zeigt sich zeitgleich eine Bindehautentzündung durch Chlamydien. Die  Anzeichen eines Katzenschnupfens müssen nicht zwingend auftreten.

Trotzdem setzt sich das FHV 1 in den Schleimhäuten der Nase, der Mandeln, der Bindehäute, in der Hornhaut und vor allem in den sensorischen Ganglien fest. Aufgrund der Vorliebe zu den Nerven ist auch der Schmerz so heftig.

Eine Herpeskeratitis kann bei gutem Immunsystem innerhalb weniger Tage auch selbst abheilen (selbstlimitierend), die Herpesviren bleiben aber lebenslang im Körper. In Ruhephasen zieht sich das Virus in das Nervensystem der Katze zurück und ist nicht nachweisbar. Reaktiviert wird das Virus in Stressphasen.

Trigger des Krankheitsausbruches sind alle Stressoren wie z.B. Schmerz (v.a. Zahnschmerz), Konflikte im Mehrkatzenhaushalt (Mobing), Änderungen im Tagesablauf (Baby, Urlaub, Besuch) oder in der Einrichtung (Lieblingsplatz entfernt), Lärm (Umbau), Umzug oder andere Krankheiten.

 

2. Krankheitsverlauf der Augenentzündung durch Herpes

Die ersten Anzeichen bei der Herpeskeratitis (Hornhautentzündung) sind Tränenfluss und vermehrtes Blinzeln oder Zukneifen des Auges. Die akute Phase ist hoch schmerzhaft. Bei einer begleitenden bakteriellen Sekundärinfektion, meist Chlamydienkonjunktivitis treten Schwellung und Rötung der Bindehäute und schleimiger oder eitriger Augenausfluss auf.

Nur durch die Untersuchung mittels einer Spaltlampe (10- bis 16-fache Vergrößerung) bzw. einer Spezialanfärbung der Hornhaut mit Bengalrosa können in diesem Stadium schon feinste, sich ästelnd verzweigende Linien als Defekte (Risse) der obersten Epithelschicht erkannt werden und damit den Beweis einer Herpesinfektion erbringen (Blickdiagnose).

Ein Abstrich zum Nachweis der Herpesviren oder der Chlamydien kann falsch negativ sein, ist also nur im positiven Fall beweisend.

Auch wenn die Augenentzündung klinisch abgeheilt ist, kann sich bei verminderter Abwehrlage eine Herpeskeratitis (Hornhautentzündung) entwickeln, weil das in den Ganglienzellen (Nerven) schlafende Virus immer wieder aktiv werden kann.

Die chronische Herpeskeratitis entsteht schleichend. Die Hornhaut wird herdförmig eingetrübt, was man an einer gräulichen Verfärbung sieht. Erkrankte Katzen blinzeln stark, da die Oberfläche der Hornhaut sehr schmerzempfindlich ist (sensorische Innervation), das betroffene Auge ist weniger weit geöffnet. Sie tränen und sind unlustig, fressen schlecht und schlafen viel.

Im weiteren Verlauf können Gefäße von der Bindehaut her in die Hornhaut einwachsen, die wie feine rote Fäden aussehen. Die Hornhaut trübt sich weiter ein, sie wird grau und immer undurchsichtiger, weil jetzt auch die tieferen Gewebeschichten, das sog. Hornhautstroma, befallen sind.
Durch Ödembildung können Bläschen entstehen, die durch mechanischen Reiz (Lidschlag, Reiben, Kratzen) platzen. 

Die Folge ist ein Hornhautdefekt mit unregelmäßigen Rändern, der sich mit Fluoreszein (einem grünen Farbstoff) anfärben lässt. Die losen Epithelränder sind besonders schmerzhaft und müssen entfernt werden.

Aus diesem Grund vermeiden wir bei Katzen i.d.R. kortisonhaltige Augenpräparate, die bei Hornhautdefekten verboten sind. Denn bis zu 80% aller Katzen tragen ein schlummerndes Herpesvirus, ohne ersichtlich krank zu sein.

Bakterien finden in diesem Stadium einen guten Nährboden, wodurch es zu einer eitrigen Sekundärinfektion mit gelblich- schleimigem Augenausfluss kommen kann. Als Komplikation kann ein einschmelzendes Hornhautulcus durch kollagenasebildende Bakterien entstehen.

 

3. Die Behandlung der Herpeskeratitis

erfolgt je nach Ausmaß der Erkrankung und in individueller Abstimmung mit dem Verhalten der Katze mit z.B.

  • antivirale Augengels, -tropfen und Tabletten gegen das Virus selbst,
  • antibiotische Augentropfen, -salben gegen die bakterielle Sekundärinfektion,
  • gleitende Augentropfen, -gels oder -salben für einen reibungslosen Lidschlag,
  • Tränenflüssigkeitsersatz bei chronischer Herpesinfektion, da sie zum trockenen Auge führen kann,
  • Abwehrsteigerung mittels Tabletten, Pulver, Tropfen
  • Debridement (Abtragen) der losen Hornhautepithelränder
  • Kontaktlinse zum Schutz der schmerzhaften Hornhaut
  • mikrochirurgische Operation bei tieferen Hornhautdefekten (Sequester).

Aufgrund der häufig auftretenden Medikamentenunverträglichkeit bei Katzen, muss ein Augenpräparat, das zu Kneifen oder Reiben führt, unbedingt abgesetzt werden! Alternativ gibt es andere Präparate oder Tabletten. Stress bei der Medikamentengabe ist äußerst kontraproduktiv, daher muss die Therapie auf das Verhalten bzw. die Kooperation der Katze abgestimmt werden.

Zur Vermeidung eines Rückfalls tragen regelmäßige Impfungen gegen Katzenschnupfen und -seuche (auch bei reinen Hauskatzen), harmonische Haltungsbedingungen, wertvolles Futter und die aufmerksame Beobachtung des Tieres bei.
Bei der geringsten Entzündung der Augen ist es ratsam, das Tier dem Haustierarzt vorzustellen oder einen Augenfachtierarzt aufzusuchen.

4. Folgen einer Herpeskeratitis

  • Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist auch die Entstehung des Corneasequesters (zentrale Hornhautnekrose) der Perser- und anderen Hauskatzen meist auf eine Herpesinfektion zurückzuführen.
  • Die eosinophile Keratitis mit Bildung von weißlichen Belägen auf der Hornhaut entsteht nach einer stattgefundenen Herpesinfektion und ist auf eine entgleiste Immunreaktion zurückzuführen. Sie ist nicht schmerzhaft und kein Notfall. Diese Erkrankung ist die einzige Indikation für lokale kortisonhaltige Augenräparate bei der Katze! Allerdings muss damit äußerst zurückhaltend umgegangen werden, da jederzeit eine akute Herpesinfektion mit geplatzen Honhautbläschen auftreten kann und dann kortisonhaltige Augenpräparate absolut verboten sind!
  • Meist entsteht auch ein trockenes Auge , da das Herpesvirus die Nervenfasern der Hornhaut schädigt, und somit die Kommunikation zur Tränendrüse einschränkt. In diesem Fall müssen dauerhaft wässrige oder gelhaltige Augentropfen bzw. Augensalben zur Hornhautpflege eingesetzt werden.

Eine Behandlung mit Cyclosporin Augentropfen -wie beim Hund bei autoimmubedingter Keratitis sicca- ist nicht sinnvoll!

Der Grund des trockenen Auges ist eine Herpesinfektion und eine immunsuppressive Therapie kann durchaus einen neuen schmerzhaften Entzündungsschub hervorrufen.

Eine Katze ist kein kleiner Hund!

Fotos verschiedener Augenveränderungen durch Herpes:


angeborene Missbildungen durch intrauterine Herpesinfektion:


massive Herpes- und Chlamydienerkrankung durch Katzenschnupfen

massives Sympblepharon, Verwachsung von Lidern und Bindehaut 

Symblepharon, die Bindehaut ist mit der Hornhaut verwachsen

Pterygium und Symblepharon, die Bindehaut ist mit der Hornhaut verwachsen

Eine Kontaktlinse erkennt man an den schwarzen Punkten

Eine Kontaktlinse zum Schutz der schmerzhaften Hornhaut (erkennbar an den schwarzen Punkten)

die eosinophile Keratitis der Katze

Der Beginn einer eosinophilen Keratitis nach einer Herpesinfektion

eosinophile Plaque nach Herpeskeratitis

eosinophile Plaque nach Herpeskeratitis


fortgeschrittene eosinophile Keratitis

fortgeschrittene eosinophile Keratitis