Die Ellbogengelenksdysplasie (ED)

Autorin: Dr. med. vet. Nina Müller

1.Definition

Der Oberarm sowie Elle und Speiche gemeinsam formen das Ellbogengelenk. Die Ellbogendysplasie (ED) ist eine Skelettentwicklungsstörung einer dieser Knochen aufgrund von einem verzögerten Wachstumsfugenschluss, unterschiedlichem Längenwachstum oder zu starkem Knorpelwachstum. Bei ungleichem Längenwachstum der beiden parallel angeordneten Knochen Elle (Ulna) und Speiche (Radius) kommt es zu Stufenbildungen im Ellbogengelenk.

Neben genetischen Faktoren haben auch die Ernährung, die Wachstumsrate und die Belastung der Gelenke durch Gewicht und Bewegung in den ersten Lebensmonaten einen großen Einfluss.

2. isolierter Processus anconaeus

Der bis zur 11. Lebenswoche knorpelige Processus anconeaus formt die Spitze der Ulna, die den Oberarm (Humerus) wie eine Schiene führt. Er besitzt ein eigenes Verknöcherungszentrum und wächst erst in der 16-20. Lebenswoche an die Ulna an. Ist die Physenfuge bis dahin nicht geschlossen, liegt ein isolierter Prococessus anconaeus vor. Die Streckung eines Ellbogengelenkes mit isoliertem Processus anconaeus (IPA) ist schmerzhaft. Das Gelenk ist zunehmend instabil. Bei jungen Hunden (bis zum 7. Lebensmonat) sollte der IPA operativ fixiert werden.

3. fragmentierter Processus coronoideus

Der fragmentierte Processus coronoideus medialis ulnae (FPCM) ist ein gebrochener Vorsprung der inneren Ulnagelenkfläche. Ursache ist ein verzögertes Radiuswachstum. Er kommt zustande, wenn die Kontaktfläche des Oberarms (Humerus) nur punktuell die Gelenkflächen von Ulna und Radius trifft. Durch die Überlastung bricht der Knochenvorsprung ab (Fissur, Fraktur oder flächenhafte Koronoidablösung). Der Knochensplitter (Chip, Gelenkmaus) ruft starke Schmerzen und einen Knorpelabrieb an den Gelenkflächen und im Folgenden arthrotische Veränderungen hervor und muss umgehend entfernt werden.

4. Osteochondrosis dissecans des Humerus (OCD)

Die Osteochondrosis dissecans des Humerus (OCD) betrifft i.d.R den inneren Kondylus des Oberarms. Eine Knorpelwachstumsstörung verursacht einen stellenweise zu dicken Knorpel. Dieser wird durch Diffusion ernährt und stirbt durch Minderversorgung an der zu dicken Stelle ab. Die losgelöste Knorpelschuppe (Chip, Gelenkmaus) wird durch eine Arthroskopie entfernt.

2.Röntgendiagnose:

Zur Beurteilung der Ellbogengelenke für die Zuchtzulassung muss der Hund mindestens 12 Monate alt sein. Bei Lahmheiten können o.g. Veränderungen natürlich früher dargestellt werden.

Der Besitzer bringt die Formulare seines Rassehundevereines für die ED-Untersuchung (und evtl. für die HD- und Gebiss-Untersuchung, die Ahnentafel und den Impfpass seines Hundes mit. Der Hund muss für die ED-Röntgenuntersuchung nicht nüchtern sein.

Die Aufnahmen zur Beurteilung des Ellbogengelenkes werden einmal von vorne (ap) in Platzstellung und jeweils seitlich (90° angewinkelt) rechts und links angefertigt und sind somit ohne Sedation durchführbar. Der Besitzer darf bei der Röntgenuntersuchung mit entsprechender Schutzkleidung anwesend sein, sofern es seine Gesundheit strahlenschutzmäßig erlaubt. Die Röntgenbilder werden anschließend mit dem Besitzer besprochen bzw. die Befunde erklärt.

Die digitalen Röntgenbilder werden in ein Portal zur Beurteilung hochgeladen und können auf Wunsch auch als CD mitgegeben werden.

Die Beurteilung des Röntgenbildes erfolgt durch spezielle Gutachter des jeweiligen Rasseverbandes. Bei der Beurteilung werden Stufenbildungen von mehr als 2 mm, Zubildungen von mehr als 2mm am Processus anconaeus oder an anderen Stellen des Gelenkes und eine Sklerose (Verdichtung des Knochens) als Ellbogendysplasie bewertet. Als Hilfe zur Beurteilung der Inkongruenz dient der Quotient aus der Länge der Incisura trochlearis und der Entfernung von Proc. anconaeus zu Proc. coronoideus lateralis ulnae. Ist der Quotient größer als 1,15, so spricht er für ein ellipsoides inkongruentes Ellbogengelenk.

Im Falle einer ED-Beurteilung nicht frei können Sie als Tierbesitzer Ihren Hund schon vorbeugend unterstützen mit Futtermittelzusatz (Glykosaminoglykane und Chondroitinsulfat) zur Gelenkpflege und konsequenter Gewichtskontrolle. Überbelastungen wie zu lange Wanderungen, steile Wege oder Sprünge sollten möglichst vermieden werden. Jeder entzündliche Schmerzzustand treibt eine Arthrose-Zubildung voran und sollte schnell ausgebremst werden.

Bei Beschwerden haben sich Physiotherapie, Aquatraining und begleitende entzündungshemmende Medikamente bewährt. Ebenso ist die gleichmäßige Bewegung, um den Halteapparat aus Bindegewebe und Muskulatur bestmöglich zu unterstützen, von größter Wichtigkeit.