Das tränende Auge
Autorin: Dr. med. vet. Sunayana Mitra & Dr. med. vet. Nina Müller
manche Distichien berühren die Hornhaut nicht
1. Was können tränende Augen bedeuten?
Ein erhöhter Tränenfluss ist der Beginn von diversen Augenerkrankungen. Nicht immer ist es nur eine Bindehautentzündung!
Besonders im Herbst und Winter werden die Bindehäute durch kalte Luft, starken Wind oder kontinuierlichen Zug von schlecht schließenden Türen und Fenstern gereizt.
Die Folge ist eine vermehrte Tränenabsonderung, die der Tierbesitzer an den feuchten Augen oder gar an einer Tränenrinne im Fell seines Schützlings erkennt.
Zieht man das Unterlid bei seinem Tier nach unten, sieht man stark gerötete Bindehäute. Die normale Farbe der Bindehaut ist wie beim Mensch hellrosa.
Man könnte nun eine lindernde Augensalbe oder -tropfen aus der Apotheke holen und sein Tier damit selbst behandeln.
Viel sinnvoller dagegen wäre es, sein Tier seinem Haustierarzt oder einem Fachtierarzt/-in für Kleintiere, möglichst mit Zusatzbezeichnung Augenheilkunde zu zeigen. Dieser Tierarzt/-in hat, wie der humanmedizinische Augenarzt/-in, die für die Augendiagnostik besonders entwickelten Geräte.
Augenerkrankungen, die man mit bloßem Auge einfach nicht erkennen kann, diagnostiziert der speziell geschulte Tierarzt mit dem Spaltlampen - Biomikroskop, dem indirekten Ophthalmoskop, mit Ultraschall oder Geräten zum Messen des inneren Augendrucks (Tonopen).
Dazu gibt es noch mehrere Testmethoden, wie den Schirmer Tränentest, die Kontrastmittelprobe mit Fluoreszein oder Bengal - Rosa, die neben den Abstrichen zur bakteriologischen und mykologischen Untersuchung, sowie Probenentnahmen zur Untersuchung von abgesonderten Zellen (Zytologie) unerlässlich für eine gründliche Augendiagnostik sind.
Merke: Tränen sind nicht nur ein Zeichen einer Bindehautentzündung, sondern können der Grund einer ganz anderen Krankheit sein.
2. Was kann die Ursache sein?
1. Entzündung der Bindehaut durch
Thermische Reizung
z.B. Wärme, Kälte, trockene Luft, besonders bei einem ausgerollten Hängeunterlid (Ektropium)
Chemische Reizung
z.B. Gase, Säuren, Laugen, Medikamente
Mechanische Reizung
- z.B. Reiben und Stechen von fehlgestellten Härchen und Fremdkörpern
- beim eingerollten Unterlid (Entropium)
- bei doppelten Wimperreihen (Trichiasis)
- bei einzelnen, am Lidrand wachsenden Härchen (Districhiasis)
- bei einzelnen, versprengten Härchen, die durch die Bindehaut stechen (ektropische Cilien)
- bei Fremdkörpern (Grassamen, Ähren) im Bindehautsack
- bei chronischen Bindehautreizungen mit Follikelbildung auf der Schleimhaut, meist an der Innenseite der Nickhaut, der sog. Conjunctivitis follicularis
Infektiöse Reizung durch
- Bakterien, und besonders Chlamydien bei der Katze
- Viren, besonders Herpesvirus bei der Katze, Staupe- oder Rickettsieninfektion beim Hund
- Pilzbefall, einer meist sekundären Besiedlung der Bindehaut
Allergische Reizung
bei entsprechend veranlagten Hunden/Katzen (Atopie) oder Unverträglichkeit der Augensalbe/-tropfen
2. Abflussstörungen der Tränenflüssigkeit
- Atresie des unteren Tränenpunktes (d.h. der Punkt ist von Geburt an nicht angelegt)
- Verstopfung des Tränengangs z.B. durch Entzündung, schleimigen Augenausfluss, durch eingespießte Fremdkörper (Ähren)
- Einrollen des medialen Augenwinkels (besonders bei Perserkatzen) und Verlegung des unteren Tränenpunktes
3. Entzündung der Hornhaut (Keratitis)
Grundsätzlich gelten auch hier die krankmachenden Ursachen, wie bei der Bindehautentzündung. Die entzündete Hornhautregion wird i.d.R. milchig-trüb.
Eine Verletzung der Hornhaut kann mit dem grünlichen Farbstoff Fluoreszein sichtbar gemacht werden.
Oberflächliche Hornhautdefekte
können
- durch Verletzungen (Grashalme),
- durch Wundheilungsstörung ( erosive Keratitis ),
- durch Stoffwechselstörungen in der alternden Hornhaut (z.B. Boxerkeratitis, indolent ulcer oder
- durch Viren (Herpeskeratitis) entstehen
und gehören in die Hand eines Augenspezialisten.
Fatal sind chronische Reizungen der Hornhaut durch fehlgestellte Härchen ( ektopische Cilien, oft im oberen Bindehautsack ), die gefunden und entfernt werden müssen, damit die Defekte des Hornhautepithels abheilen können.
Das sog. Hornhautgeschwür (Ulcus corneae) muss oft mit einem Bindehautlappen operativ abgedeckt werden, damit kein Durchbruch entsteht. Eine chronische Hornhautentzündung kann zur Einschmelzung der Hornhaut führen.
Fatal sind auch Verletzungen durch Fremdkörper oder Katzenkrallen! Hier greift die Entzündung auf das innere Auge über, sodass das gesamte Auge gefährdet ist.
4. Entzündungen des inneren Auges (Uveitis)
gehen oft nur mit einem vom Tierbesitzer erkennbaren Tränenfluss einher. Eine kleinere Pupille als am gesunden Auge oder das Zukneifen des Auges sind Schmerzzeichen.
Die Uveitis hat mannigfaltige Ursachen und ist eine echte diagnostische und therapeutische Herausforderung für den Augenspezialisten.
5. Grüner Star (Glaukom)
eine hochschmerzhafte, zur Erblindung des betroffenen Auges führende, chronische Erkrankung, die mit einem erhöhten Augeninnendruck einhergeht.
Auch hier sind die ersten Anzeichen beim Hund Tränen und Reiben des Auges. Wenn man diesen Zustand als allergische Bindehautreizung einstuft, kommt oft jede Behandlung zu spät und das kranke Auge muss letztendlich operativ entfernt werden.
Die typischen, später auftretenden Glaukomanzeichen sind eine weite Pupille, rote Bindehäute und eine rauchig getrübte Hornhaut. Daher sollte auch hier bei den ersten Anzeichen (Tränen, Reiben des Auges) der Augeninnendruck mit einem Spezialgerät (Tonopen) gemessen werden.
Die Messung des Augeninnendruckes mit dem Tonopen wird unter lokaler Betäubung der Hornhaut durchgeführt. Es erfordert nur eine minimale Berührung der Hornhaut und das Gerät zeigt den Augeninnendruck auf dem elektronischen Display an.
Zusammengefasst können Tränen ein harmloses aber auch ein sehr schlimmes Zeichen einer Augenerkrankung sein. Sie sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden.
Entropium, der lederne Lidrand verschwindet
das Unterlid ist eingerollt, die Haare reiben auf der Hornhaut
Das Herpesvirus bringt Gefäße in die Hornhaut
Die entzündete Hornhaut wird blau-grau anstatt durchsichtig
Die Konjunktivitis follikularis ist eine typische Junghundeerkrankung