Zahngesunde Heimtiere

Autorin: Dr. med. vet. Nina Müller

 

Der Verdauungsapparat ist das wichtigste Organsystem der Heimtiere, denn der Darm ist besonders lang.

Nur durch andauerndes Fressen wird der Nahrungsbrei weitergeschoben. Im Darm werden von den Darmbakterien lebenswichtige Vitamine produziert, die die Tiere durch Fressen ihres Blinddarmkotes (Nachtkotes) aufnehmen.

Sie als Tierbesitzer erkennen die Schneidezähne, die zum Abbeißen von Apfelstücken o.ä. wichtig sind. Die Paare sollen gleich lang, gerade abgeschliffen und längsgerillt sein. Die Unterkieferschneidezähne enden innerhalb der Oberkieferschneidezähne. Die Schneidezähne der Chinchillas, Degus und Gerbils müssen ockerfarben sein.

Die wichtigsten Zähne aber kommen hinter einer seitlichen Zahnlücke: dort verbergen sich noch eine ganze Reihe Backenzähne, die für das Kleinmahlen von Futter zuständig sind.

 

1. Zahnwachstum

Bei Kaninchen, Meerschweinchen, Chinchilla oder anderen Heimtieren wachsen die Zähne dauerhaft und bleiben durch einen entsprechenden Abrieb konstant auf gleicher Länge.

Ist dieses Gleichgewicht gestört, werden die Zähne zu lang. Durch die Stempelwirkung beim Kauen entsteht ein Druck nach oben und als Folge eine Wurzelentzündung oder sogar Kieferabszesse.

Bei Meerschweinchen ist die Brückenbildung der Unterkieferbackenzähne das Hauptproblem, da sie ihre Zunge nicht mehr bewegen können. Typischer weise lassen sie Futter aus dem Maul fallen.

Werden durch falsche Kaubewegung oder Zahnfehlstellungen randständige Zahnareale nicht genügend abgerieben, entstehen scharfe Kanten, sog. Zahnspitzen. Diese können im Bereich der Unterkieferbackenzähne die Zunge aufschlitzen. Im Bereich der Oberkieferbackenzähne wachsen sie in die Backenschleimhaut hinein.

Es hat sich gezeigt, dass die Lichteinwirkung und somit die Vitamin D Bildung auch für Kaninchen sehr wichtig für den Knochenaufbau der Zahnfächer (Alveolen) ist, sodass bei Außenaufenthalt weniger Zahnfehlstellungen und somit weniger Zahnprobleme entstehen.

 

2. Heu als Grundnahrungsmittel

Nur durch das Mahlen von Heu oder Stroh werden die Zähne in Querbewegungen gleichmäßig abgerieben. Zudem dient dieses rauhfaserreiche Futter der Beschäftigung und dem Erhalt der gesunden Darmflora.

Heu und Wasser sind die Grundnahrungsmittel aller Kaninchen und Nager.

Das Kauen von Getreide oder Fertigfutter macht eine aufrechte Kaubewegung und fördert Zahnspitzen. Zudem macht es die Tiere zu schnell satt, sodass sie automatisch weniger Heu aufnehmen. Zuletzt fördern diese Kohlenhydrate die Hefenbildung im Darm. Hefen verdrängen die gesunden Darmbakterien, was einen schmierigen Stuhlgang zur Folge hat.

Bitte lassen Sie sich nicht von der Industrie verwirren, von bunten Maisflocken (Kohlenhydrate) verführen, von Malz geklebten Nagestangen, Joghurtdrops und ähnlichen Unsinnigkeiten irreleiten!

Viele Probleme sind selbstgemacht. Gesundes Futter wie unbegrenzt Heu und frisches Gemüse sowie rationiertes Obst sind das Grundgerüst für ein glückliches Heimtierleben. Kraftfutter brauchen unsere Heimtiere nicht, wenn wir sie nicht zur Schlachtung mästen wollen!

Frische, ungespritzte Äste sind eine prima Zahnpflege und ein herrlicher Zeitvertreib.

 

3. Zahnschmerzen

Tiere klagen nicht bei Schmerzen wie wir. Sie werden ruhiger, traurig, fressen weniger und lieber weicheres Futter. Zuletzt verlieren sie sogar an Gewicht.

Beobachten Sie Ihre Tiere täglich. Je kleiner sie sind, desto ernster sind Krankheiten. Je genauer Sie Ihre Tiere kennen, desto schneller wird Ihnen ein verändertes Verhalten auffallen.

Finden Sie vom Speichel verklebte Mundwinkel oder Vorderpfoten, dann ist der Gang zum Tierarzt dringend, da mit Schleimhautverletzungen durch Zahnspitzen gerechnet werden muss.

Chinchillas hauen bei Zahnschmerzen manchmal mit der Pfote gegen die Backe oder kneifen ein Auge vermehrt zu. Sie müssen ockerfarbene Zähne haben. Bei Mineralmangel neigen die Zähne dazu, längs zu brechen.

Wenn Sie erkennen, dass Ihr Kaninchen, Meerschweinchen oder Chinchilla gar nicht mehr frisst, ist es meist schon ziemlich schlimm. Diese Tiere sollten permanent Heu mümmeln.

Meerschweinchen stellen dass Fressen ein, wenn eine Brückenbildung der Unterkieferbackenzähne die Zungenbewegung unmöglich macht. Vorher lassen Sie schon abgebissene Futterstücke wieder aus dem Maul herausfallen.

Außerdem können Meerschweinchen eine Kaumuskelentzündung oder eine Schlucklähmung haben.

 

4. Kontrolle

Bei allen Tieren, die weniger Fressen, werden Sie feststellen, dass die Kotböhnchen oder Köttel kleiner werden.

Am besten setzen Sie Ihr Heimtier mindestens 1 x pro Woche auf eine Küchenwaage. Dann können Sie frühzeitig erkennen, ob es genügend frisst, um sein Gewicht zu halten oder ob z.B. Zahnschmerzen ihn davon abhalten.

 

5. Erste Hilfe

Sobald Heimtiere zu wenig fressen, kippt ihre Darmflora durch die reduzierte Darmpassage. Somit können innerhalb von stunden Fehlgärungen und ein lebensgefährlicher Kreislaufschock mit Untertemperatur folgen.

Daher sollten Sie als zeitliche Überbrückung Ihrem Heimtier Breinahrung eingeben, bis es wieder selbstständig fressen kann. Sie können zuckerfreien Babygemüsebrei und Vollkornhaferflocken in eine Spritze füllen und dem Tier seitlich in das Maul einflößen. Außerdem gibt es pulverisierte Breiernährung für Heimtiere bei Ihrem Tierarzt.

 

6. Zahnbehandlung

Die rechtzeitige Zahnkorrektur ist ein dauerhaftes ausgleichen von Missständen, die oftmals durch die korrekte Fütterung wieder wegfallen kann.

Ganze Zähne dürfen niemals abgezwickt werden, da das harte Zahnbein zu feinsten Rissen bis in die Zahnwurzel neigt.

Eine mechanische Diamant-Trennscheibe dient zur Korrektur der Schneidezähne, ein turbinenbetriebener Fräser zur Korrektur und Längenangleichung der Backenzähne.

Zur Bestimmung der korrekten Zahnlänge und zur Beurteilung der Zahnwurzeln sollte eine digitale Zahnröntgenaufnahme angefertigt werden.

Zur Backenzahnkorrektur sowie für die Röntgenuntersuchung bekommen die kleinen Heimtiere eine kurze Gasnarkose.

Durch die dauerhaft wachsenden Zähne unserer Kaninchen und Nager müssen diese Patienten mit Zahnproblemen regelmäßig zur Kontrolle kommen, spätestens bei beginnendem Gewichtsverlust.